(ots) - Die Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic hegt in
der neuen Ausgabe des stern große Zweifel an der Glaubwürdigkeit des
Zeugen Michael Hartmann. Der SPD-Abgeordnete Hartmann hatte zuletzt
Sebastian Edathy widersprochen, nur einer von beiden kann die
Wahrheit sagen. Falls Hartmann sich "als Lügner entpuppt, hat
natürlich auch Thomas Oppermann und damit die SPD ein gewaltiges
Problem", sagte die Polizeibeamtin Mihalic, die für die
Grünen-Fraktion als Obfrau im Untersuchungsausschuss sitzt. "Edathy
hat ihn ja mehrfach belastet."
Irene Mihalic analysiert im Interview mit dem stern ausführlich
Hartmanns bisherige Äußerungen. Schon dessen schriftliche Erklärung,
die er wenige Tage vor seiner Befragung als Zeuge abgab, habe sie
stutzen lassen. Mihalic: "Es ging um die Frage, wer auf wen
zugekommen sei an jenem 15. November 2013, als Medien über die
kanadische Firma berichteten, die mit Bildern und Filmen nackter
Kinder handelte und auch Hunderte Deutsche belieferte. Hartmann sagte
in seiner Erklärung, Edathy sei am Rande des SPD-Parteitags auf ihn
zugegangen. Wenn man sich das mal vorstellt: Edathy kommt durch
Ermittlungen mit Kinderpornografie in Berührung. Er mag sich für
unschuldig halten, aber er weiß: Gesellschaftlich bin ich erledigt,
wenn das bekannt wird. Und da öffnet er sich gleich mal einem
Parteikollegen, erzählt ihm die delikate Lage? Ist das realistisch?
So etwas vertraut man doch kaum seinem engsten Freund an. Und Edathy
und Hartmann waren laut Hartmann keine Freunde, haben sich nicht mal
besonders gemocht."
Dass sich Hartmanns Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss in
wesentlichen Punkten von seiner schriftlichen Erklärung
unterschieden, lässt Irene Mihalic ebenfalls an dessen
Glaubwürdigkeit zweifeln. "In der Erklärung behauptet Hartmann, er
habe verschiedentlich mit Edathy über dessen Befürchtung
kommuniziert, gegen ihn könne strafrechtlich ermittelt werden. Als
wir ihn dann im Ausschuss vernahmen, sagte er plötzlich, er habe
niemals mit Edathy über derlei Befürchtungen gesprochen."
Michael Hartmann sagte als Zeuge im Ausschuss auch, das Wort
"Kinderpornografie" sei zwischen ihm und Edathy nie gefallen.
Michalic hält das im stern für wenig einleuchtend: "Da sind wir
wieder bei der Lebenswirklichkeit: Medien berichten von der Firma,
von kinderpornografischem Material, von deutschen Kunden. Edathy hat
da auch bestellt. Er spricht mit Hartmann darüber. Aber niemals soll
dabei das Wort Kinderpornografie gefallen sein? Ja, worüber haben die
beiden denn dann geredet? Glaubwürdig geht anders, finde ich."
Die Polizeibeamtin wundert sich zudem über die zahlreichen
Erinnerungslücken, die im Laufe der Vernehmung Michael Hartmanns
auftraten. "Es klingt nicht glaubwürdig, dass man so viel vergisst,
wenn man versucht hat, einem Kollegen mit Suizidabsichten
beizustehen. Das hat Hartmann uns ja immer gesagt: dass er sich
Sorgen gemacht habe wegen Edathys Gesundheit, dass er Angst hatte,
Edathy bringe sich um. Für Hartmann muss das eine einschneidende
Erfahrung gewesen sein. Und ein Jahr später erinnert er sich an
vieles nicht mehr?"
Die Grünen-Fraktion würde im Untersuchungsausschuss zur
Edathy-Affäre gerne Hartmann und Edathy als Zeugen gemeinsam
befragen. Mihalic sagte, "der psychologische Druck" nehme bei solchen
Gegenüberstellungen zu. "Es ist schwieriger, dem anderen ins Gesicht
zu lügen." Solch einer Doppel-Befragung müssten allerdings zuvor die
SPD oder die Union zustimmen.
Der Ausschussvorsitzenden und stellvertretenden
Fraktionsvorsitzenden der SPD, Eva Högl, widerspricht Irene Mihalic
in einem wesentlichen Punkt. Högl hatte kürzlich gegenüber der
"Berliner Morgenpost" behauptet, Sebastian Edathy äußere sich
widersprüchlich bei dem Punkt, ob er gewarnt worden sei: Erst habe
er, so Högl, gesagt, er habe aus den Medien über die Ermittlungen
gegen ihn erfahren, nun solle auf einmal Michael Hartmann sein
Informant gewesen sein. Mihalic sagte dem stern dazu: "Es mag für die
SPD-Spitze politisch günstig sein, wenn Edathy sich scheinbar
widerspricht. Aber in Wirklichkeit sagt Edathy ja, er habe Details
von Hartmann bekommen. Von den Ermittlungen an sich hat er nach
eigener Aussage aus den Medien erfahren. Das ist also kein
Widerspruch."
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