(ots) - Vizekanzler Sigmar Gabriel hat eindringlich davor
gewarnt, nach dem Ende der Pegida-Bewegung einfach zur Tagesordnung
zurückzukehren. "Wir sollten nicht glauben, bloß weil der Spuk auf
den Straßen abnimmt, hätten sich die Probleme von selbst erledigt.
Die Menschen denken ja nicht plötzlich anders", sagt der
SPD-Vorsitzende in einem Interview mit dem Magazin stern. "Ihr
Treibstoff ist immer noch da: Wut, Angst, Verunsicherung, mitunter
auch Ausländerhass." Außerdem eine alle, die in Dresden auf die
Straße gegangen seien, "ein Gefühl: Die Politik nimmt ihre
Alltagssorgen nicht wahr", so Gabriel weiter. "Die soziale
Polarisierung in unserem Land lässt Menschen manchmal hilflos
zurück." Berliner Politikern und Journalisten warf der SPD-Politiker
in diesem Zusammenhang vor, sie hätten "manchmal ein leicht gestörtes
Verhältnis zur Realität in Deutschland". Die Welt, in der sie sich
bewegten, sei "nicht die Welt, die die meisten Menschen erleben".
Auf die Frage, ob Pegida zu Deutschland gehöre, antwortete Gabriel
dem stern: "Ganz offensichtlich. Egal ob es einem gefällt oder nicht:
Es gibt ein demokratisches Recht darauf, rechts zu sein oder
deutschnational. Sogar ein Recht, Dummheiten zu verbreiten wie die
angebliche Islamisierung Deutschlands." Es sei etwas dran an der
These, "dass die Verweigerung des Gesprächs, das kollektive
Draufhauen die Proteste erst angestachelt und größer gemacht haben",
so der SPD-Politiker. Gabriel berief sich dabei auch auf den
Bundespräsidenten. Der habe ihm gesagt: "Wir dürfen nicht so tun, als
hätten wir Weimarer Verhältnisse. Zu viel Aufmerksamkeit vermittelt
einen falschen Eindruck von der Stabilität des Landes." Gabriel: "Da
hat Joachim Gauck recht. Wir waren nicht in Weimar, und wir kommen
auch nicht nach Weimar." Gerade die "ungeheure Zahl von Menschen, die
sich in Windeseile Pegida entgegengestellt" hätten, zeige doch: "Wir
haben eine erwachsene Demokratie."
Vehement verteidigte der Vizekanzler seinen kritisierten Besuch
einer Diskussionsveranstaltung in Dresden, an der Pegida-Anhänger
teilgenommen hatten. "Da waren ganz normale Dresdner mit ihren
Alltagssorgen. Sollen wir die den rechtsradikalen und
rechtspopulistischen Hintermännern von Pegida überlassen?", sagte
Gabriel dem stern. "Wir müssen raus ins Leben, dahin, wo es brodelt"
- für diesen Satz aus seiner Bewerbungsrede für den Parteivorsitz
habe er 2009 "am meisten Beifall bekommen. Gerade für diesen Satz bin
ich als SPD-Vorsitzender gewählt worden", so Gabriel weiter. "Aber
wenn ich das dann mache, bekomme ich Ärger - auch mit manchen von
denen, die damals geklatscht haben."
Der neuen griechischen Regierung aus Linken und extremer Rechten
hielt der SPD-Chef vor, so zu tun, "als wäre ihr Land ein Opfer der
EU-Kommission und der Troika. Das ist falsch. Griechenland ist ein
Opfer seiner politischen und wirtschaftlichen Eliten. Die haben das
Land ausgeplündert." Natürlich dürfe eine neu gewählte Regierung
ihren Kurs selbst bestimmen, so Gabriel zum stern. "Aber eines darf
die griechische Regierung nicht: die finanziellen Folgen ihrer
Politik bei den Bürgern in den anderen Staaten Europas abladen.
Deshalb wird es auch keinen Schuldenschnitt geben." Allerdings
äußerte der Vizekanzler auch Verständnis für das Wahlverhalten der
Griechen und deren Flucht in "vermeintlich einfache Antworten".
Gabriel wörtlich: "Unser Angebot für Griechenland war viel zu lange
nur: Spart! Immer nur die kleinen Leute schurigeln und ihnen Renten
und Löhne kürzen hat noch nie ein Land aus der Krise geführt."
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