(ots) - In einer idealen Welt gäbe es kein unheilbares
Leiden und keine höllischen Schmerzen, man müsste folglich auch nicht
über die Erlösung davon debattieren. In unserer keineswegs idealen
Welt ist solch eine Debatte notwendig. Es ist danach zu fragen, wie
weit die Fürsorge des Staates reichen darf und ab wann sie zur
Entmündigung wird - ausgerechnet in der größtmöglichen persönlichen
Krise, die den Wunsch erzeugt, aus dem Leben zu scheiden, weil nur so
dem dauerhaften Elend zu entrinnen ist. In dieser extremen Situation
muss der autonome Wille des Einzelnen über allem stehen. Dazu gehört
auch, dass man sich ganz legal an Sterbehilfe-Vereine wenden kann.
Vor allem aber muss man sich darauf verlassen können, dass der
behandelnde Arzt seine eigenen ethischen oder standesrechtlichen
Bedenken nicht über den Willen des Patienten stellt. Dass dies in
Deutschland stark von der jeweiligen Ärztekammer abhängt, Erlösung
also am Ende eine Frage des Wohn- oder Leidensortes sein kann, ist in
einem Rechtsstaat ein Unding. Die religiös grundierte Ächtung des
Freitods hilft überhaupt nicht weiter. Wer sich in der Entscheidung
über das eigene Lebensende konfessionellen Beschränkungen unterwerfen
will, mag das tun. Bekenntnisse dürfen aber nicht durch die
Hintertüre Rechtsnormen für alle werden - schon gar nicht in einem
Gemeinwesen, dessen Mitglieder nicht einmal mehr zur Hälfte einer
Kirche angehören. Der Verweis auf die Möglichkeiten der
Palliativmedizin geht ebenfalls am Kern vorbei: Auch hier ist nur
Linderung, aber nicht ein möglichst rasches Ende des Leidens das
Ziel. Selbst der weitestreichende nun diskutierte Gesetzesvorschlag
stellt immer noch die aktive Sterbehilfe unter Strafe, dabei könnte
man sie - wie in den Niederlanden - an Sorgfaltskriterien knüpfen.
Immerhin: Wenn der Bundestag nun endlich im November über eine
hoffentlich weitreichende Liberalisierung abstimmt, ist der
Fraktionszwang aufgehoben. Der Fortschritt ist manchmal eine Schnecke
- Erlösung leider auch.
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