(ots) - Bis zu 35 Prozent der Patienten mit
Lymphdrüsenkrebs, die nach intensiver Behandlung geheilt sind, klagen
in den nachfolgenden Jahren über finanzielle Probleme. Das geht aus
einer bislang unveröffentlichten Studie der German Hodkin Study Group
hervor, die dem ARD-Politikmagazin "Report Mainz" vorliegt. Die
Studie stammt aus dem Jahr 2014. Befragt wurden über 1.000 Patienten.
Eine weitere Langzeitstudie der Universität Heidelberg und der
Medical Association of Saarland mit Brustkrebspatienten stellt fest,
dass bei älteren Patienten (65 Jahre und älter) in rund 25 Prozent
der Fälle finanzielle Probleme besonders häufig auftreten. Allerdings
leiden auch die jüngeren Patienten (18-49 Jahre) unter finanziellen
Engpässen: verglichen mit ihrer Altersgruppe rund dreimal häufiger
(Acta Onkologica, 2013, 52).
Der führende Onkologe Prof. Bernhard Wörmann von der Charité nennt
diese Entwicklung alarmierend. Kaum jemand spreche darüber, es sei
ein Tabuthema: "Wenn wir Zahlen sehen, dass ein Viertel bis ein
Drittel der Patienten Jahre nach einer Krebserkrankung unter
finanziellen Problemen leiden, dann ist das ein riesiges Problem. Das
wird so nicht wahrgenommen", sagte er im Interview mit "Report
Mainz". Das sei eine sehr eigene belastende Dimension für Patienten:
"Wir sehen, dass Patienten manchmal sogar durch die finanziellen
Probleme stärker belastet sind kurzzeitig als durch die Krankheit
selbst. Die Sorge, wie es der Familie weitergeht, wie man selbst über
die Runden kommt, überlagert dann das Problem, was wir für wichtiger
halten, nämlich des Gesundwerdens."
"Report Mainz" hat mehrere krebskranke Patienten nach ihren
Einkommensverlusten befragt: Ein 48-jähriger Diplomingenieur,
erkrankt am Schwarzen Hautkrebs, erhält jetzt 1.500 Euro weniger. Das
ist minus 25 Prozent. Wenn jetzt unmittelbar sein Krankengeld
ausläuft, droht ihm unter Umständen Erwerbsminderungsrente. Die
beträgt im Durchschnitt 719 Euro. Ein 63-jähriger ehemaliger
Betriebsleiter einer Matratzenmanufaktur, erkrankt am
Bauchspeicheldrüsenkrebs, schon nach vier Monaten berentet, hat jetzt
500 Euro weniger, minus 33 Prozent. Besonders betroffen von solchen
finanziellen Einschnitten sind Selbstständige. Ein 60 Jahre alter
Tischler mit kleiner Firma, erkrankt am chronischen Blutkrebs, hat
jetzt 700 Euro weniger, minus 70 Prozent.
Das Problem der Verarmung von Krebspatienten ist relativ neu und
entsteht aus einer eigentlich sehr "erfreulichen Entwicklung", sagt
der Chefarzt Dr. Ulf Seifart von der Reha-Klinik Sonnenblick in
Marburg: "Patienten können in einem zunehmenden Maße ihre
Krebserkrankung ganz überleben und dadurch Probleme entwickeln, die
wir viele Jahre gar nicht gesehen haben und auf die wir uns vom
Gesundheitssystem her auch erst einmal einstellen müssen."
Verarmten Krebspatienten könnte mit relativ einfachen Maßnahmen
sehr wirkungsvoll geholfen werden, meinen Onkologen und
Reha-Mediziner. Bis zu 78 Wochen können Patienten Krankengeld
erhalten. Der tatsächliche Bezug ist meist sehr viel kürzer, weil auf
diese Dauer Reha- und/oder Wiedereingliederungszeiten in den
Arbeitsmarkt mit angerechnet werden. Hinzu kommt, dass diese Regelung
von 78 Wochen völlig starr gehandhabt wird. Eine längere Bezugsdauer
von Krankengeld würde schon vielen helfen: "Das wäre ein - wie ich
finde - sehr guter Ansatz. Und gerade bei so langwierigen
Therapieverläufen würde es den Patienten helfen, wenn das Krankengeld
dann etwas länger gezahlt würde", sagte der Reha-Arzt Ulf Seifart
"Report Mainz". Eine weitere Lösungsmöglichkeit bestünde im Ausbau
einer unabhängigen Beratung für die Patienten. Gegenwärtig werden sie
beraten von Krankenkassen, Rentenversicherung und der Bundesagentur
für Arbeit. Alle diese sozialen Sicherungssysteme haben ihre eigenen
finanziellen Interessen, die oftmals konträr sein können zu denen der
Patienten. Deshalb muss es für sie einen unabhängigen Berater geben -
einen Lotsen: "Ein unabhängiger Lotse ist genau das, aber es muss ein
qualifizierter Lotse sein und es muss dafür auch ein bestimmtes
Curriculum da sein, was so ein Lotse leisten muss, wissen muss und
dem Patienten auch liefern muss. Wichtig ist, dass es eine objektive
und hochqualifizierte sozialmedizinische Beratung gibt", meint Prof.
Wörmann von der Charité.
Weitere Informationen unter www.reportmainz.de. Zitate gegen
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