(ots) - Wenige Tage nach dem Urteil im Tugçe-Prozess
erörtern Experten die Reform des "Mordparagrafen", die auch nach sich
ziehen soll, dass Mörder nicht zwangsläufig zu einer lebenslange
Haftstrafe verurteilt werden. Das ist Zufall, aber unglücklich. Mord
ist zwar nicht Totschlag und Totschlag nicht Körperverletzung mit
Todesfolge. Dennoch ist das Urteil im Fall der Studentin, die
Zivilcourage zeigte und starb, noch sehr präsent, und es hat - einmal
mehr - Diskussionen über das richtige Strafmaß ausgelöst. Gewiss, ein
Gesetz, das aus der NS-Zeit stammt, hätte längst reformiert werden
müssen. Dass den Tatumständen auch beim Strafmaß mehr Bedeutung
zugebilligt werden soll, ist plausibel. Indes wäre es auch an der
Zeit für eine neue Vermittlungskultur: Gerichte müssen ihre Urteile
deutlich besser erläutern; womöglich auch Zweifel offensiver
eingestehen. Es kann ihnen nicht einerlei sein, wenn die Bevölkerung
ihre Urteile nicht mehr nachvollziehen kann. Auch wenn Rechtsprechung
nie moralisch gerecht, sondern höchstens gesetzeskonform sein kann -
verheerend wäre, wenn das Vertrauen in den Rechtsstaat weiter sänke.
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