(ots) - Es sind die kleinen Schritte, die ihren Politikstil
kennzeichnen. Angela Merkel wägt nüchtern ab und nimmt sich dafür
Zeit. Auf unübersichtlichem Terrain bewegt sie sich am liebsten
tastend.
Zweimal in ihrer Kanzlerschaft hat Merkel in den Ausnahmemodus
geschaltet. Das erste Mal im Frühjahr 2011, als in Japan die Erde
bebte und das Atomkraft Fukushima havarierte. Die schwarz-gelbe
Koalition legte Kernkraftwerke still, deren Laufzeiten sie zuvor
verlängert hatte, und beschleunigte den Atomausstieg. In der
Flüchtlingskrise wechselte Merkel wieder in den Notmodus. Sie
entschied sich, zur Flüchtlingskanzlerin zu werden, die bei der
Aufnahme keine Obergrenze sieht, Asylbewerber zu Tausenden
unregistriert ins Land lässt und ihren Bürgern viel zutraut -
womöglich mehr, als sie schaffen können.
Merkels Handeln wirkt wie ein beispielloser Akt der Humanität, hat
aber zwiespältige Folgen: Für immer mehr Menschen aus kriegs- und
krisengeplagten Regionen wird Deutschland zum Sehnsuchtsort. Anderen
Regierungen in Europa fällt es leichter, sich einer solidarischen
Lösung zu verweigern. Merkel erfährt ein weiteres Mal, wie schwierig
große Schritte sein können. Zumal, wenn man die Richtung noch nicht
gefunden hat.
Waren es die Bilder von Flüchtenden, die sie rührten? Oder hat
Merkel die Wucht des Zustroms unterschätzt? Während über die Motive
der Kanzlerin gerätselt wurde, zwangen Fakten und die CSU sie zum
großen Schritt zurück: zur Aussetzung des Schengen-Abkommens und zur
Wiederaufnahme von Kontrollen an den Grenzen. Merkel sollte rasch in
den Modus zurückfinden, den sie beherrscht: den der kleinen,
rationalen Schritte.
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