(ots) - Die Flüchtlingsdebatte stellt nicht nur die
Politik, sondern auch die Schulen vor neue Herausforderungen. Vor
allem der Politikunterricht muss sich dieser Herausforderung stellen.
Das deutsche Bildungssystem in seiner jetzigen Form sei darauf aber
nur unzureichend vorbereitet, kritisiert der Lehrerausbilder Andreas
Petrik im Interview mit der in Berlin erscheinenden Tageszeitung
"neues deutschland" (Samstagausgabe). Der Politikunterricht müsse
mehr leisten als reine Wissensvermittlung, denn Jugendliche setzten
sich heute deutlich weniger als früher mit abstrakten Systemfragen
auseinander und seien "weniger ideologisch-systemkritisch" als noch
zu Zeiten der Friedensbewegung der 1980er Jahre. Sie interessierten
sich dann für Politik, wenn es konkrete Bezüge gibt und sie
emotionale Bindungen zu einem Thema aufbauen könnten, so Petrik.
"Viele Jugendliche bewegt etwa die Frage, was mit den Flüchtlingen in
der unmittelbaren Nachbarschaft passiert. Diese Frage muss der
Politikunterricht etwa mit der Methode der Fallstudie aufgreifen, um
davon ausgehend Fluchtursachen und kontroverse politische
Lösungskonzepte herauszuarbeiten", so der Politikdidaktiker von der
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Nachholbedarf beim Politikunterricht sieht Petrik vor allem in den
ostdeutschen Ländern. "Die neuen Bundesländer sind nicht von einer
langen Tradition der politischen Bildung geprägt." Nach der Wende
habe dort ein völlig neues Fach aus dem Boden gestampft werden
müssen. Zudem habe dort das Fach Sozialkunde "zumeist keine Lobby an
den Schulen, gilt als Nebensache. Das erhöhte Aufkommen von
Rechtsextremismus und -populismus lässt sich unter anderem dadurch
erklären". Neben dem Ausbau der Lehrerbildung an den Universitäten
müsse das Fach an den Schulen massiv aufgewertet werden, fordert der
Wissenschaftler. "Es kann nicht sein, dass man erst im 8. oder 9.
Schuljahr mit einer Einzelstunde Politik kennen lernt und das Fach
dann in der Oberstufe wieder abwählen kann."
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