(ots) - Es sei »der wichtigste Satz dieser letzten Wochen«
gewesen, so hat es Christa Wolf am 4. November 1989 vor
Hunderttausenden auf dem Berliner Alex beschrieben: »Wir sind das
Volk.« Es war der Ruf von bisher Schwachen gegen eine starke
Obrigkeit, es war der Refrain einer großen Veränderung. Es war die
Idee eines anderen, demokratischen Landes. Heute bemäntelt der
ausländerfeindliche Mob von Clausnitz und anderswo seinen Hass gegen
Schwache mit jener Wende-Parole und fälscht sie in einen Hetzgesang
derer um, die schon den Zuzug von einigen Kriegsvertriebenen in ihrem
Dorf für zu viel Veränderung halten. Und doch machen es sich jene zu
einfach, die nun sagen: Nein, ihr seid nicht das Volk! Es gibt zwar
viele, die sich engagiert gegen Rechts einsetzen. Aber es lässt sich
auch nicht ausblenden, wie verbreitet die Vorurteile und der Hass
sind, die sich in Clausnitz, Bautzen und anderswo johlend Bahn
brechen. Woher kommt das? Wolfgang Thierse erklärt nun die
Empfänglichkeit der Ostdeutschen für menschenfeindliche Botschaften
mit den Veränderungen, die in den vergangenen 25 Jahren die neuen
Länder durchschüttelten. Was dabei vergessen wird: Mit dem
demokratischen Ruf »Wir sind das Volk« war 1989 zunächst ein ganz
anderer Wandel gemeint. Einer mit solidarischen Vorzeichen und nach
sozialen und ökologischen Maßstäben. Es ist dann anders gekommen -
unter der nationalistischen Parole »Wir sind ein Volk« und unter
schwarz-rot-goldenen Fahnen. Die sieht man heute wieder auf den
Straßen wehen: bei Pegida und Co.
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