(ots) - Wie schnell doch die EU auf einen Nenner zu bringen
ist! 28 Regierungschefs brachten es binnen Stunden fertig, eine
gemeinsame Position zu einem Problem zu finden, das sie über Monate
hinweg entzweit hat. Der Unterschied zu all dem vorherigen Gezerre um
die Aufnahme von Flüchtlingen besteht darin, dass sich jemand Drittes
gefunden hat, die Drecksarbeit zu übernehmen. Dass die Türkei sich
bereitfindet, der EU die Flüchtlinge vom Leib zu halten. Doch die
Gründe Ankaras sind nicht altruistisch. Auch wenn das Land seit
Jahren mit weit mehr Flüchtlingen konfrontiert ist, als alle
Schwarzmaler in Bayern oder Ungarn in ihren gruseligsten
Gutenachtgeschichten herbeifantasieren könnten, ist Ankaras Vorstoß
kühl berechnet. Und die EU-Staaten schlucken mit dem Köder nicht nur
die Forderungen Ankaras nach Visafreiheit. Kollektiv akzeptieren sie
auch die türkische Art der Problemlösung, den Rechtsbruch als
probates Mittel der Politik. Im konkreten Fall wird nicht einfach das
Asylrecht aller Flüchtlinge ignoriert, die keine Syrer sind. Es ist
das Asylrecht selbst, das geopfert wird. Doch so überraschend ist
dies nun auch wieder nicht, und die Klage über ein verratenes Europa
der Werte gilt einer längst erkalteten Leiche. Die moralische
Integrität der EU ist eine Illusion, wie sich spätestens beim
Feilschen um Flüchtlingskontingente zeigte. Die EU hat ihr Gesicht
nicht verloren, sie hat ihr wahres Gesicht gezeigt. Auch der Pakt mit
Ankara sieht Kontingente vor, die die EU aufnimmt. Wer das konkret
erledigen soll, wurde bisher tunlichst beschwiegen.
Pressekontakt:
neues deutschland
Redaktion
Telefon: 030/2978-1722