(ots) - Der Stadtforscher Andrej Holm warnt vor der
Entstehung von Banlieues wie in Paris auch in Berlin. Berlin
entmische sich sozial, erklärte Holm im Gespräch mit der in Berlin
erscheinenden Tageszeitung »neues deutschland« (Montagsausgabe). »Es
entwickelt sich eine ziemlich klassische Konzentration von Armen in
Großsiedlungen am Stadtrand, die wir bisher vor allem aus anderen
Städten wie Paris mit den Banlieues kannten«, sagte der
Stadtsoziologe. Dies sei eine Folge der Verdrängung, der sogenannten
Gentrifizierung, durch hohe Mieten vor allem in der Innenstadt.
»Große Teile der Stadt haben sich zu Hartz IV-freien Zonen
entwickelt«, sagte Holm.
Der an der Berliner Humboldt-Universität lehrende Holm bezog sich
in seiner Analyse auf den vor wenigen Tagen erschienenen »Bericht zum
Monitoring Soziale Stadtentwicklung 2015«. Detailliert wird in dem
von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung herausgegebenen Papier
die soziale Lage der Bewohner in den Stadtteilen Berlins und deren
Veränderung vom 31. Dezember 2012 bis 31. Dezember 2014 beschrieben.
Als Konsequenz aus den bedrohlichen Entwicklungen und dem Verlust
der typischen Berliner sozialen Mischung müsse der Senat alles tun,
so Holm, um die 120 000 noch bestehenden Sozialwohnungen zu erhalten.
»Es ist ein Skandal, dass gerade in der Innenstadt Wohnungen schnell
aus der Bindung entlassen worden sind«, sagte er. Stadtweit hinke der
Neubau dem Auslaufen von Sozialbindungen hinterher. Weiter forderte
der Stadtforscher ein komplettes Mietmoratorium für die 300 000
öffentlichen Wohnungen, das Erhöhungen sowohl bei Bestandsmietern als
auch bei Neuvermietung ausschließe.
Für Häuser in Privatbesitz schlägt Holm kurzfristig die Schaffung
eines Anti-Spekulations-Fonds vor, mit dem die Stadt Häuser mit
offensichtlichen Entmietungsstrategien aufkaufen kann. Auf lange
Sicht könne eine soziale Wohnungsversorgung jedoch nur mit einer
Einschränkung der Immobilienverwertung gelingen. Eine Erhöhung der
Grunderwerbssteuer könnte den schnellen Weiterverkauf bremsen. »Die
Erfahrung zeigt, dass der Verdrängungsprozess fast immer mit einem
Eigentümerwechsel beginnt«, so Holm. Die Berliner Politik versuche
immer am Ende der Verwertungsketten eine Regulierung hinzubekommen,
gehe aber nie an Ursachen heran.
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