(ots) - Jens Gnisa (52), der neue Vorsitzende des
Deutschen Richterbundes (DRB), bemängelt Defizite bei der
Aufarbeitung von Fehlurteilen. »Es gibt Fehlurteile, aber bei der
Richterschaft kommt nie die Information an, wie es dazu kommen
konnte«, sagte Gnisa dem Westfalen-Blatt(Donnerstagsausgabe). Es
fehle an einer wissenschaftlichen Untersuchung solcher Fälle, um
falschen Urteilen vorbeugen zu können, erklärte der DRB-Vorsitzende,
der zugleich Direktor des Bielefelder Amtsgerichts ist. Gnisa sagte:
»Das einzige, was wir zu diesem Thema im Studium gelernt haben, war,
dass falsche Geständnisse häufig zu Fehlurteilen führen. Es gibt aber
bestimmt noch andere Ursachen.«
Der neue Richterbundpräsident sprach sich vehement gegen Kameras
bei Gerichtsverhandlungen aus. »Es gibt Überlegungen des
Gesetzgebers, zumindest Prozesse von zeitgeschichtlicher Relevanz
aufzuzeichnen, aber das lehnen wir strikt ab. Kameras erschweren die
Wahrheitsfindung erheblich.« Denn Angeklagte, Opfer und Zeugen würden
mit Sicherheit gehemmt, sagte Gnisa. Man können allenfalls darüber
diskutieren, Kameras bei Urteilsverkündungen zuzulassen.
Es sei kontraproduktiv, dass Politiker nach spektakulären
Verbrechen immer gleich nach schärferen Gesetzen riefen, erklärte
Gnisa. »Das untergräbt die Autorität der Justiz, weil es den Eindruck
vermittelt, dass unsere Gesetze nichts taugen. Das ist aber nicht so.
Ich kann mich an keinen einzigen Prozess erinnern, in dem ich der
Meinung gewesen wäre, der Strafrahmen des Gesetzes reiche nicht aus.«
Falsch sei auch die weit verbreitete Vorstellung, dass ein
Verbrechensopfer generell eine möglichst harte Strafe wolle. »Die
meisten Opfer möchten vor allem eine Entschuldigung des Täters, eine
menschliche Regung. Wenn dann vom Täter nichts kommt, ist das
natürlich besonders verletzend. Aber darauf haben wir keinen
Einfluss«, sagte Gnisa der Zeitung weiter.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261