(ots) - Die Rhein-Neckar-Zeitung (Heidelberg)
kommentiert die Wiederwahl Winfried Kretschmanns zum
Ministerpräsidenten:
"Ein Kratzer im Lack, aber gewählt: So startet Winfried
Kretschmann in seine zweite Amtszeit als baden-württembergischer
Ministerpräsident. Sechs Abweichler aus dem grün-schwarzen
Regierungslager? Abgehakt. Für den Grünen und seine Partei zählt mehr
der immense, der historische Erfolg, den der gestrige Tag markiert -
durchaus vergleichbar mit 2011. Besser als durch die Bestätigung im
Amt, diesmal mit einem anderen Partner, kann die einstige
Öko-Apo-Protestpartei nicht zeigen: Wir sind in der Mitte der
Gesellschaft angekommen - und da werden wir uns festsetzen. Der
kleine Makel erscheint zudem schwer vermeidbar, betrachtet man die
konkurrierenden Lager, die zusammengeführt werden mussten. Gut
verkraftbar ist er jedenfalls: Angela Merkel startete in jede ihrer
Großen Koalitionen mit deutlich mehr Gegenwind. Sie regiert immer
noch.
Andererseits: Das nüchterne "Gewählt ist gewählt" wirft auch ein
Schlaglicht darauf, wie es um die Regierungsparteien bestellt ist.
Die Grünen dürfen den Glanz, die Euphorie, die fiebrige
Aufbruchsstimmung vermissen, die den grün-roten Start begleiteten.
Grün-Schwarz haftet bloß der Ruch des uninspirierten Stillstands an.
Und für die Union fühlt sich seit dem tiefen Absturz am 13. März
sowieso jeder Tag, jeder weitere Schritt nach bitterer Niederlage an.
Das Kreuzchen für Kretschmann bereitet seelische Qualen - nicht nur
dem konservativen Flügel. Der vermeintlich so unreife "Denkzettel"
aus der Fraktion richtete sich zwar auch gegen Parteichef Thomas
Strobl. Es wäre aber ein grobes Missverständnis, darin die alleinige
Botschaft zu sehen.
Müssen Kretschmann und Strobl, die Architekten dieser
unfreiwilligen Koalition mit ihrer unglücklichen, unwilligen
Gefolgschaft, um die Zukunft bangen? Vermutlich nicht. Im Ländle wird
Grün-Schwarz ein Arbeitsbündnis sein, kein Prestigeprojekt. Aber es
gilt auch als Fingerzeig für 2017. Nicht umsonst mischte sich Merkel
ein. So werden beide Partner tunlichst vermeiden, es zum Bruch kommen
zu lassen. Aber sie werden die Grenzen austesten - Profilierung muss
sein. Der neue CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart drohte bereits
gestern pointiert: Kretschmann könne auf die Union zählen - er müsse
aber auch mit ihr rechnen.
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