(ots) - Mit der Vernunft ist das so eine Sache: Oft ist sie
nicht weniger subjektiv und relativ als ein Gefühl. Wenn das OVG
Münster sagt, man dürfe 50 Millionen männliche Küken schreddern,
sofern ein vernünftiger Grund vorliege, und den darin sieht, dass
Alternativen zu teuer seien, dann ist das eine bestimmte Art von
Vernunft, die bei anders vernünftigen Menschen ein bestimmtes Gefühl
erzeugt: Abscheu.
In ein paar Jahren dürfte es bezahlbare Techniken geben, das
Geschlecht schon im Ei zu erkennen. Dann wäre das gestrige Urteil
Geschichte. Aber es bleibt ein grundsätzliches Problem: Vielen
Menschen leuchtet die Vernunft der industrialisierten Landwirtschaft
nicht mehr ein. Tier- und Naturschutz und Nahrungsmittelproduktion
haben sich auseinander entwickelt. Das darf man ruhig auch persönlich
nehmen: Verbraucher wissen nicht, was Bauern bewegt. Letztere sehen
sich beschuldigt von ignoranten Romantikern, die zugleich nur das
Billigste kaufen. Da treffen sie einen wunden Punkt: Niedrigstpreise
und höchste ethische Ansprüche passen nicht zusammen.
Das gilt für alle Branchen. Die Agrarbranche aber ist eine
besondere. Sie erhält hohe Subventionen. Das gibt dem Steuerzahler
Rechte. Und sie prägt die Landschaft. Deshalb darf sie nicht
abwandern wie die Textilindustrie. Und natürlich geht es um Gefühle.
Aber eben auch um die Vernunft: Ist es vernünftig, in einem der
reichsten Länder der Erde die billigsten Lebensmittel für den
Weltmarkt erzeugen zu wollen? Was ist der Preis für spezialisierte
Hochleistungszüchtungen? Was wollen wir unseren Böden und dem Wasser
zumuten, nur weil es praktisch ist? Darüber müssen Verbraucher und
Landwirte neu verhandeln. Die Politik hat sich Jahrzehnte lang davor
gedrückt.
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