(ots) - Mehr als die Hälfte der Frühgeborenenzentren kann
die Personalvorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses, dem höchsten
Gremium der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen, nicht
erfüllen. Das geht aus einer Umfrage des Deutschen
Krankenhausinstituts im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft
hervor. Patientenvertreter und mehrere Neonatologen kritisieren die
Nichteinhaltung der Vorgaben, die vom 1. Januar 2017 an gelten, wie
das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" berichtet (heute, 1. November
2016, 21.45 Uhr, Das Erste). Im Interview mit "Report Mainz" sagte
Ilona Köster-Steinebach, Patientenvertreterin beim Gemeinsamen
Bundesausschuss: "Dass so viele Kliniken die Personalvorgaben nicht
erfüllen, ist ein Unding. Sie sind seit Mitte 2013 bekannt, die
Kliniken hatten also mehr als drei Jahre Zeit sie umzusetzen."
Die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses sieht vor, dass
die Perinatalzentren spätestens von 2017 an mehr und qualifizierteres
Pflegepersonal einsetzen müssen. So sollten Fehler verhindert werden,
die bei Frühchen lebensgefährlich sein oder zu einer Behinderung
führen können. Unter anderem müssen die Perinatalzentren pro Schicht
mindestens eine Pflegekraft mit der Fachweiterbildung
Kinder-Intensivpflege einsetzen. Außerdem gilt für
intensivtherapiepflichtige Frühgeborene unter 1500 Gramm ein
Pflegeschlüssel von 1:1. Laut der Umfrage des Deutschen
Krankenhausinstituts können mehr als 50 Prozent der Perinatalzentren
weder aktuell noch ab 2017 diese Vorgabe erfüllen. Der Gemeinsame
Bundesausschuss hatte die Richtlinie bereits im Juni 2013
beschlossen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft will deshalb jetzt weitere
Ãœbergangsfristen und Erleichterungen bei den Personalvorgaben
erreichen. Im Interview mit "Report Mainz" sagte der
Hauptgeschäftsführer der DKG, Georg Baum: "Wir müssen heute
feststellen, dass es das Personal, das wir dazu bräuchten, in der
Zahl nicht gibt oder noch nicht gibt. Und deshalb müssen wir eine
Anpassung dieser Richtlinie diskutieren. Wir brauchen mehr Zeit und
wir brauchen an der Stelle, wo es heißt, immer und zu jeder Zeit muss
das Personal vorgehalten werden, eine Anpassung an die realistischen
Möglichkeiten." Nach Informationen von "Report Mainz" berät der
Gemeinsame Bundesausschuss derzeit, ob ein Änderungsbedarf der
Richtlinie besteht.
Prof. Christian Poets, Leiter der Neonatologie der Uniklinik
Tübingen kritisierte das Vorgehen der Krankenhausgesellschaft
gegenüber "Report Mainz": "Ich finde es nicht akzeptabel, wenn eine
von allen Seiten als notwendig erachtete Verbesserung der Versorgung
immer weiter nach hinten verschoben wird. Um es klar zu sagen: Es
geht hier um Kinderleben und da dürfen keine Kompromisse gemacht
werden." Die Patientenvertreterin des "Verbraucherzentrale
Bundesverbands" beim Gemeinsamen Bundesausschuss, Ilona
Köster-Steinebach, bezeichnete das Nichteinhalten der Richtlinie als
fatal: "Eine weitere Aufweichung der Richtlinie bedeutet, dass die
Frühgeborenen nicht so geschützt werden, wie es ihre Situation
erfordert."
Weitere Informationen auf www.reportmainz.de. Zitate gegen
Quellenangabe "Report Mainz" frei.
Pressekontakt: "Report Mainz", Tel. 06131/929-33351.
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