(ots) - Das zur Bundesarbeitsagentur gehörende
Forschungsinstitut IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung) empfiehlt in einer aktuellen, bislang weitgehend
unbekannten Studie, dass im Hartz-IV-System "die Sanktionsregeln
entschärft werden". Das berichtet das ARD-Politikmagazin "Report
Mainz" (heute, 1. November, 21.45 Uhr im Ersten). Hintergrund sind
Befunde, wonach wenig gebildete Hartz-IV-Empfänger im Sanktionssystem
benachteiligt werden. Sie bekommen häufiger Strafen, etwa wegen
Meldeversäumnissen oder bei Verstößen gegen Mitwirkungspflichten.
Im Interview mit "Report Mainz" sagte Prof. Mark Trappmann, einer
der Autoren der IAB-Studie: "Die Ursache scheint nicht zu sein, dass
sie weniger arbeitsmotiviert sind oder weniger konzessionsbereit."
Die Studie nennt als Grund unter anderem "mangelndes Wissen wenig
Gebildeter zu institutionellen Vorgaben" und "Negativzuschreibungen
in den Akten dieser Personen" durch Fallmanager. Fazit der Studie:
"Das Sanktionssystem im SGB II scheint damit soziale Ungleichheit
nach Bildung zu reproduzieren und zu verstärken." Dabei hätten
Sanktionen teils "gravierende Folgen für die Sanktionierten."
Der Arbeitsmarktforscher Prof. Stefan Sell von der FH
Koblenz-Remagen sagte dazu im "Report Mainz"-Interview: "Der Befund
der neuen Forschung ist wirklich niederschmetternd aus
sozialpolitischer Sicht, weil er belegt einmal mehr, dass die
schwächsten Glieder in der Kette am meisten betroffen sind. Gerade
diejenigen, die offensichtlich Missbrauch betreiben, gehen ihnen im
Regelfall durch die Lappen. Wer übrig bleibt in diesem großen
Fangnetz der Sanktionen sind die Leute, die nicht mutwillig,
böswillig gegen irgendetwas verstoßen, sondern die beispielsweise
bestimmte Dinge gar nicht verstehen."
Das Bundesarbeitsministerium teilte auf Nachfrage von "Report
Mainz" mit, man nehme das Problem ernst, und wolle mit dem neuen
Rechtsvereinfachungsgesetz auch die Beratung in den Jobcentern
verbessern. Dazu habe man Regelungen geschaffen, "die dem Problem der
potentiellen Benachteiligung von geringer gebildeten Personen
entgegenwirken sollen". Grundsätzlich seien Nachteile der weniger
Gebildeten "allgemeiner Natur und dementsprechend bei vielen
Alltagsgeschäften (z. B. im Rahmen von Mietverhältnissen oder
Handyverträgen) anzutreffen".
Aus den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit ergibt sich: Die Zahl
der erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger ist von 2007 bis 2015 von 5,4
Mio. auf 4,3 Mio. gesunken. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der
Sanktionen allerdings stark gestiegen, von rund 783.000 auf 979.000.
Erst seit 2012 nimmt die Zahl leicht ab, bleibt aber auf hohem
Niveau.
Arbeitsmarkforscher Sell spricht sich, ähnlich wie die Autoren der
IAB-Studie, für eine Entschärfung der Sanktionen aus. Im Interview
sagte er: "Wir reden hier über das Existenzminimum der Menschen, was
ohnehin schon nach Meinung vieler Kritiker eigentlich viel zu niedrig
bemessen ist. Sanktionen dürfen nur wirklich der allerletzte Schritt
sein und man sollte, wenn es irgendwie geht, darauf verzichten."
Weitere Informationen auf www.reportmainz.de. Zitate gegen
Quellenangabe "Report Mainz" frei.
Pressekontakt: "Report Mainz", Tel. 06131/929-33351.
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