(ots) - Er ist ein kämpferischer Typ, hat bemerkenswerte
Führungsqualitäten und einen treffsicheren politischen Instinkt. Er
ist launisch, zuweilen ruppig und unberechenbar. Sigmar Gabriel hat
viele Gesichter. Er ist Wirtschaftsminister und Vizekanzler, war
Umweltminister und Regierungschef von Niedersachsen. Nun erwartet den
Parteichef seine schwerste Rolle: Kanzlerkandidat. Am heutigen
Dienstag kommt die SPD-Führung zusammen, um über den Wahlkampf zu
beraten. Dann dürfte die K-Frage endgültig entschieden werden.
Eigentlich sähe es für die Sozialdemokraten gar nicht so schlecht
aus. Angela Merkel ist nicht mehr unschlagbar. Die Schwesterparteien
CDU und CSU zanken sich ausgerechnet bei den Topthemen Sicherheit und
Flüchtlingspolitik. Und an Merkels Credo "Wir schaffen das" glauben
nicht einmal mehr ihre Anhänger. Doch die SPD kann nicht von der
Formkrise des Koalitionspartners profitieren. In Umfragen sind die
Genossen bei 22 Prozent festzementiert. So hat Gabriel auch lange
gezaudert, den heiklen Job zu übernehmen. Doch als Parteichef bleibt
ihm keine andere Wahl. Auch wenn er sich des Risikos bewusst ist:
Fährt die SPD erneut eine Klatsche ein, dann sind seine Tage als
Parteivorsitzender gezählt. Dabei ist Gabriel keine schlechte Wahl.
Er spricht die Sprache des kleinen Mannes, sorgt sich um dessen
Wohlergehen, als Redner versteht er zu begeistern. Ja, gäbe es nicht
die unterirdischen Sympathiewerte für den Mann aus Goslar. So muss
der Kanzlerkandidat in spé auf Inhalte setzen und nimmt langsam Fahrt
auf. Nach dem Terroranschlag von Berlin zauberte er ein
Positionspapier zur Sicherheit herbei, im Interview mit dem "Spiegel"
mimt er den roten Sheriff. Allerdings neigt der Mensch dazu, in
Zeiten großer Verunsicherung an Bewährtem - sprich an der Kanzlerin -
festzuhalten. Und ein neues Gesicht, das nach beinahe zwölf Jahren
Merkel den Wunsch nach einem Wechsel symbolisiert hätte, wäre eher
Martin Schulz gewesen. Gabriel steht vor einer Mission impossible.
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