(ots) - Manchmal kommentiert die Geschichte sich selbst. Am
15. Januar 1990 stürmten tausende Demonstranten, darunter viele
Bürgerrechtler, die Stasizentrale in Berlin. Es war die symbolische
Inbesitznahme des gigantischen Aktenarchivs eines
Repressionsapparats. Fast auf den Tag genau 27 Jahre später erklärte
der Berliner Baustaatssekretär Andrej Holm nach fünf Wochen hitziger
Stasidebatte seinen Rücktritt. Holm war damals 19; schon mit 14 hatte
er sich zu einer Karriere bei der Staatssicherheit verpflichtet und
später dort seinen Wehrdienst begonnen.
Das wirft Fragen auf, um die es bisher nur am Rande ging: Was für
ein politisches System war das, in dem Halbwüchsige zu solchen
Entscheidungen gedrängt wurden? Was für Verhältnisse herrschen heute,
wenn einem seinerzeit gerade so Volljährigen diese Episode, die er
längst öffentlich gemacht hat, zum Verhängnis wird? Und was für
Medien sind es, die im Bescheidwisserton über die Jugend eines
Menschen befinden, den sie stasibelastet nennen?
Die LINKE wurde mit Holms erzwungenem Rücktritt gedemütigt. Vor
allem die SPD will einen pflegeleichten Partner möglichst ohne
lästige Vergangenheit. Dem Regierenden Bürgermeister fehlt der Mumm,
die widersprüchliche Geschichte der gesamten Stadt anzunehmen. Der
Fall Holm hätte dazu Gelegenheit geboten. Statt dessen statuierte er
27 Jahre nach dem Sturm auf die Akten ein billiges Exempel. Das wird
diesem rot-rot-grünen Senat von Berlin wie ein Klotz am Bein hängen.
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