(ots) - Die Pflegekassen müssen den Heimen Geld für
Pflegekräfte zahlen, die dort gar nicht beschäftigt sind. Das
berichten "Report Mainz" und Süddeutsche Zeitung. Grundlage der
gemeinsamen Recherche ist ein bislang unveröffentlichter Briefwechsel
zwischen dem Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Karl-Josef
Laumann (CDU), und dem Spitzenverband der gesetzlichen Kranken- und
Pflegekassen (GKV-Spitzenverband). Demnach dürfen Pflegeheime beim
Personal legal "schummeln", ohne mit finanziellen Konsequenzen
rechnen zu müssen. "Die jetzige Regelung ist ein Anreiz für einen
Pflegeheimbetreiber, ein bisschen zu wenig Personal einzustellen und
sich das übriggebliebene Geld in die eigene Tasche zu stecken", sagt
ein Sprecher des GKV-Spitzenverbands. Ganz praktisch heiße das, "dass
Pflegeheime weniger Personal beschäftigen können, als eigentlich
vertraglich vereinbart ist, nämlich bis zu acht Prozent".
Hintergrund ist ein Urteil des Bundessozialgerichtes aus dem Jahr
2012. Demnach ist eine Personalunterdeckung in Pflegeeinrichtungen in
Höhe von acht Prozent möglich, ohne dass die Kassen ohne Weiteres die
Vergütung kürzen können. Diesen Umstand kritisiert auch Karl-Josef
Laumann: "Ich finde es sehr bedenklich, dass wir eine Rechtsprechung
haben, die es den Heimen erlaubt, zwischen sechs und acht Prozent
unter der eigentlich abgemachten Personalausstattung zu arbeiten.
Wenn das Schule macht, haben wir ein großes Problem." Laumann sieht
hier "Handlungsbedarf", denn "jede Personalunterschreitung würde zu
nicht gerechtfertigten Gewinnen" der Einrichtungsträger auf Kosten
der Pflegekräfte und Pflegebedürftigen führen.
Derzeit gibt es nur wenige Verfahren der Pflegekassen gegen
stationäre Einrichtungen, wenn diese zu wenig Personal beschäftigen.
Oftmals überprüfen die Kassen nicht einmal mehr, ob die Einrichtungen
tatsächlich zu wenige Pflegekräfte einsetzen. In dem Papier, das
"Report Mainz" und Süddeutscher Zeitung vorliegt, heißt es: "Aufgrund
der geringeren Erfolgsaussichten ... führen inzwischen einige
Sozialhilfeträger und Pflegekassen, z. B. in Hessen den aufwändigen
Personalabgleich nicht mehr durch". Auch deshalb wurden von Januar
bis Ende September 2016 bundesweit nur in neun von insgesamt rund
13.600 Heimen offiziell festgestellt, dass zu wenig Personal anwesend
war.
Somit werde eine Personalunterdeckung derzeit "faktisch
toleriert", kritisiert der GKV-Spitzenverband. "Das darf nicht sein.
Wir brauchen eine Rechtsänderung, damit das endet." Karl-Josef
Laumann sieht ebenfalls "Handlungsbedarf". Sein Parteifreund und
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe derzeit nicht. Auf Anfrage
von "Report Mainz" und der Süddeutschen Zeitung wiesen sowohl die
Caritas als auch die Diakonie eine systematische Unterbesetzung in
ihren Einrichtungen zurück. Der Bundesverband privater Anbieter
sozialer Dienste, der private Träger vertritt, hat dazu nicht
Stellung genommen.
Zitate gegen Quellenangabe "Report Mainz" frei. Weitere
Informationen auf www.reportmainz.de. Pressekontakt: "Report Mainz",
Tel. 06131/929-33351.
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