(ots) - Die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung hat mit
einer Zeitungsbeilage und mit öffentlichen Veranstaltungen wenige
Tage vor der Landtagswahl in fragwürdiger Weise Wahlkampf für die FDP
in Nordrhein-Westfalen gemacht. Das berichtet das ARD-Politikmagazin
"Report Mainz" (Dienstag, 9. Mai 2017, 21:45 Uhr) unter Berufung auf
die Einschätzung des Parteienrechtlers Prof. Martin Morlok, des
Verfassungsrechtlers Prof. Hans Herbert von Arnim und des
Politikwissenschaftlers Prof. Ulrich von Alemann. Parteinahe
Stiftungen werden größtenteils aus Staatsgeld finanziert. Für sie
gilt das verfassungsrechtliche Distanzgebot: Sie dürfen keinen
Wahlkampf für die ihnen nahestehenden Parteien machen.
Die Friedrich-Naumann-Stiftung hatte die Ausgabe 3/2017 ihrer
Zeitschrift "liberal" der FAZ am 25. April 2017 in NRW,
Schleswig-Holstein und Hessen in einer Auflagenhöhe von 121.670
Exemplaren beigelegt. Die Broschüre ist in den Farben der FDP
gehalten - Gelb und Magenta - und bringt als "Schwerpunkt" ein
Interview mit dem FDP-Spitzenkandidaten in NRW, Christian Lindner.
Direkt im Anschluss folgt ein weiteres Interview mit dem
FDP-Generalsekretär in NRW, Johannes Vogel. Prof. Hans Herbert von
Arnim sagte dazu im Interview mit "Report Mainz": "Diese Beilage ist
meines Erachtens eine reine FDP-Wahlkampfbroschüre, sowohl räumlich,
sie bezieht sich ja genau auf das Land Nordrhein-Westfalen, ist auch
da verteilt worden, als auch personell, Spitzenpolitiker der FDP
werden da einvernommen, als auch was die Dichte zur Wahl in
Nordrhein-Westfalen anlangt. Sie ist also meines Erachtens eindeutig
eine Parteiaktion, die die Naumann-Stiftung aber nicht machen darf."
Prof. Ulrich von Alemann sagte im Interview mit "Report Mainz":
"Broschüren, die in der heißen Phase des Wahlkampfes auf den Weg
gebracht werden und dem Wahlkampf eindeutig dienen in ihrer
politischen Aussage, dürfen nicht sein. Und insofern ist es keine
Grauzone und kein Grenzfall, sondern es ist ein eindeutiger
Missbrauch."
Außerdem hatte die Friedrich-Naumann-Stiftung rund eineinhalb
Wochen vor der Wahl zu öffentlichen Veranstaltungen eingeladen zu
Wahlkampf-Themen wie beispielsweise Innere Sicherheit ("Deutschland
im Blaulicht", 3. Mai, Essen) oder Wirtschaft ("Zukunft des Handwerks
in NRW", 4. Mai, Langenfeld), bei denen FDP-Landtagskandidaten die
einzigen Parteivertreter auf dem Podium waren. Dazu sagte Prof.
Ulrich von Alemann im Interview mit "Report Mainz": "Ich halte das
für Wahlkampf durch die Stiftung, und das darf nicht sein. Wenn
FDP-Politiker, aktive Politiker, die für den Landtag kandidieren, im
Lande jetzt öffentlich auftreten, dann ist das ein Teil ihres
persönlichen Wahlkampfes und dann kann das nicht als allgemeine
politische Bildung oder Ähnliches, was die Aufgabe der Stiftungen
wäre, abgetan werden." Verfassungsrechtler Prof. Hans Herbert von
Arnim erklärte im Interview: "Diese Veranstaltungen sind unerlaubte
Hilfe der Friedrich-Naumann-Stiftung für die FDP. Und das darf die
Stiftung nicht. Sie muss Distanz halten zur Partei aus
verfassungsrechtlichen Gründen."
Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Urteil vom 14. Juli
1986 (2 BvE 5/83) festgelegt, dass parteinahe Stiftungen Distanz zu
den jeweiligen Parteien wahren müssen. Wörtlich heißt es darin: "Es
ist den Stiftungen verwehrt, in den Wettbewerb der politischen
Parteien einzugreifen, indem sie etwa im Auftrag und für die ihnen
nahestehenden Parteien geldwerte Leistungen oder Wahlkampfhilfe
erbringen." Unvereinbar hiermit wären etwa "die Verbreitung oder
Ãœberlassung von Schriften, die als Werbematerial im Wahlkampf
geeignet und dafür bestimmt sind, [sowie] die Finanzierung von
parteiergreifenden [...] Zeitungsbeilagen".
Der Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung, Wolfgang
Gerhardt, wies den Vorwurf im Interview mit "Report Mainz" zurück,
die Stiftung mache mit öffentlichen Veranstaltungen Wahlkampf für die
FDP. Wörtlich sagte er: "Nein, das macht sie nicht. Aber sie tritt
auf, oder gibt Podien, Anlässe, wo man sich über Politik unterhält."
Zu der in FDP-Farben gehaltenen Beilage in der FAZ befragt, sagte er:
"Das ist eine journalistische Entscheidung gewesen. Wir machen das
Heft nicht immer Gelb. Wir haben es auch schon in ganz anderen Farben
gehabt." Zum Zeitpunkt der Beilage dicht vor der NRW-Wahl erklärte
Gerhardt: "Es ist überhaupt nicht merkwürdig. Das Heft erscheint
regelmäßig in zweimonatigem Abstand. Ich habe die Wahlen in NRW nicht
festgelegt." Die "liberal"-Beilage in der FAZ habe der Gewinnung
neuer Abonnenten gedient. Zusammenfassend sagte Gerhardt: "Es ist
sauber und in Ordnung."
Das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" hatte den Experten die
Recherchen vorgelegt, die Wissenschaftler haben sich damit intensiv
beschäftigt. Ihr Urteil:
Prof. Martin Morlok (Institut für Deutsches und Internationales
Parteienrecht und Parteienforschung, Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorf): "Diese Aktionen sind als wahlwerbend einzuschätzen und
die Mittel einer politischen Stiftung, hier der
Friedrich-Naumann-Stiftung, dürfen nicht für Wahlkampfzwecke
eingesetzt werden. Das ist eine zweckwidrige Verwendung der
staatlichen Mittel."
Prof. Ulrich von Alemann (Politikwissenschaftler,
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf): "Für mich gibt es hier keinen
Zweifel. Nach meinem Urteil ist es ein eindeutiger Missbrauch von
Stiftungsgeldern zugunsten des Wahlkampfes einer Partei. Die
Friedrich-Naumann-Stiftung missbraucht ihre Rolle als eine politische
Stiftung, die in erster Linie für politische Bildung da sein soll,
indem sie im Wahlkampf die FDP hier im Land Nordrhein-Westfalen
unterstützt, sowohl durch öffentliche Veranstaltungen, als auch durch
eine sicherlich teure Broschüre, die Zeitungen beigelegen hat, und
dieses darf nicht sein. Dieses ist ein Unterlaufen der Regeln der
Parteienfinanzierung."
Prof. Hans Herbert von Arnim (Deutsche Universität für
Verwaltungswissenschaften Speyer): "Die Friedrich-Naumann-Stiftung
macht hier Wahlkampf zugunsten ihrer Mutterpartei, der FDP. Das
verstößt gegen die Chancengleichheit unter den Parteien. Es hebelt
auch die Obergrenze für die direkte Staatsfinanzierung aus. Sie macht
insgesamt hier verdeckte Parteienfinanzierung. Und das ist streng
verboten. Der Bundestagspräsident muss aktiv werden und ein Bußgeld
verhängen. Der Rechnungshof muss einschreiten gegen diese
zweckwidrige Verwendung der Mittel. Das dauert aber beides. Was rasch
gehen könnte wäre der Antrag auf einstweilige Anordnung durch eine
Konkurrenzpartei, um zu erreichen, dass derartige Maßnahmen
unverzüglich unterbunden werden."
Weitere Informationen auf
www.reportmainz.de
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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an "Report Mainz", Tel. 06131 929
33351 oder -33352.
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