(ots) - Hans-Dietrich Genscher, Helmut Schmidt - und nun
Helmut Kohl. Deutschland trauert um den neben Konrad Adenauer wohl
größten unter den großen deutschen Politikern des vergangenen
Jahrhunderts. Die Deutschen verdanken ihm nichts weniger als die
heute so selbstverständlich gelebte Einheit, deren Zustandekommen ja
nun alles andere als selbstverständlich war. Dabei hat Deutschland
mit dem Kanzler der Einheit lange gefremdelt. Sein zu Beginn seiner
Regierungszeit bisweilen provinziell anmutender Habitus, der
pfälzische Dialekt - das war so ganz anders als der
hanseatisch-weltmännische Stil, den sein Amtsvorgänger Helmut Schmidt
pflegte. Sogar als »Birne« wurde er von seinen linken Kritikern
geschmäht. Eine Abneigung, die ganz auf Gegenseitigkeit beruhte. Wie
Schmidt gehörte Kohl zur Kriegsgeneration. Nie wieder dürfe es ein
solches Blutvergießen geben - darin waren sich beide einig. Der
Schrecken des Krieges machte Kohl zum überzeugten Europäer. Dass die
deutsche Einheit - wenn überhaupt! - nur in Frieden gemeinsam mit den
Europäern gewonnen werden könnte, war Richtschnur seines Handelns.
Kohl hat es geschafft, zugleich deutscher Patriot und überzeugter
Europäer zu sein. Die Tränen, die ihm übers Gesicht rannen, als er
1984 Hand in Hand mit dem französischen Präsidenten François
Mitterrand auf dem Gräberfeld von Verdun stand, waren Ausdruck
tiefster Bewegung. Dabei war der Riese aus Oggersheim niemals
zimperlich in seinem Handeln - weder als CDU-Vorsitzender noch als
Politiker. Als die Sowjetunion vor dem Zusammenbruch stand, nutzte
Kohl die Gunst der Stunde. Mit Diplomatie, Geschick und persönlichem
Einsatz. Sogar die D-Mark gab Kohl zugunsten des Euro auf, um die
Nachbarn zu beschwichtigen, denen die wirtschaftliche Stärke eines
wiedervereinigten Deutschlands suspekt war. Es ist eine Ironie der
Geschichte, dass Kohl am Ende abgewählt wurde, weil sich die Einheit
als teures Unterfangen erwies und die versprochenen »blühenden
Landschaften« sich während seiner Amtszeit nicht einstellen wollten.
Doch Kohl sollte recht behalten: Wirtschaftlich wie sozial steht die
Einheit heute auf einer soliden Basis, und Deutschland ist
wirtschaftlich so stark wie nie. Gewiss: Auch die
Parteispendenaffäre, die die CDU in den politischen Abgrund stürzte
und letztlich Angela Merkel an die Macht brachte, gehört zur
Würdigung von Helmut Kohls Leben. Sein Ehrenwort, mit dem er die
heimlichen Spender schützte und sich zugleich über das Gesetz
stellte, ist ein nicht zu tilgender Fleck auf seiner Biographie. Doch
heute ist nicht der Tag für Auf- und Abrechnungen. Heute ist der Tag
des Gedenkens und des Dankes. Sein europäisches Erbe ist und bleibt
eine Verpflichtung. Deutschland verneigt sich vor dem Kanzler der
Einheit.
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