(ots) - In der Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen
Parteien in Europa fordert der Jenaer Soziologieprofessor Klaus Dörre
eine offensivere Gangart der "sozialdemokratischen" und
"Mitte-links"-Parteien. "Arbeiter, die zum Rechtspopulismus neigen,
sehen für sich geringe Chancen im Verteilungskampf mit einem 'Oben'
und werden so anfällig für eine Umdeutung dieser Konflikte nach den
Kategorien 'Innen' und 'Außen'", sagt Dörre im Interview mit der in
Berlin erscheinenden Tageszeitung "neues deutschland"
(Freitagausgabe).
Kern solcher Stimmungen sei ein "verletztes
Gerechtigkeitsempfinden": "Jahrzehnte haben sie gehört, dass es
unumgänglich sei, an ihnen zu sparen - und dann stoßen sie etwa in
der Bundesrepublik plötzlich auf die ja zunächst emphatisch
aufgenommene Fluchtbewegung. Und plötzlich geht vieles, was vorher
nicht ging."
"Unsicherheit und Angst" spielten dabei eine Rolle, man finde
derartige Orientierungen "aber auch bei Arbeitern mit relativ gutem
Einkommen in vergleichsweise sicheren Verhältnissen." Viele
Arbeiterinnen und Arbeiter fühlten sich in ihren Verhältnissen
gefangen und hätten keine Aufstiegshoffnungen mehr. Solche
Selbstwahrnehmungen fügten sich "auch deswegen so gut in
Deutungsmuster von 'Innen' gegen 'Außen', weil es gegenüber dem
'Oben' kein positives Selbstbewusstsein gibt, keinen kollektiven
Produzentenstolz".
Um dem zu begegnen, plädiert Dörre für eine "populare
Klassenpolitik", für die sozialdemokratische Führer wie Bernie
Sanders und Jeremy Corbyn ein Vorbild sein könnten, aber auch "die
Schweizer Sozialdemokratie, die sich jüngst eine
wirtschaftsdemokratische Agenda gegeben hat, die über die
Programmatik der deutschen Linkspartei hinausgeht".
Auch in der Sozialwissenschaft sei angesichts der Entwicklungen
der vergangenen beiden Jahrzehnte eine neue Hinwendung zur Kategorie
"Klasse" unumgänglich: "Wünschenswert wäre ein großer
Sonderforschungsbereich, der interdisziplinär an einer zeitgemäßen
sozialwissenschaftlichen Klassenkonzeption arbeitete."
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