(ots) - Am Sonntag soll ein Parteitag in Dortmund das
SPD-Wahlprogramm beschließen. Und eigentlich sollte das auch ihr Tag
werden: Hannelore Kraft als strahlende Gastgeberin und Mutmacherin
für den großen September-Sturm aufs Kanzleramt. Wird es aber nicht.
Mit der krachenden Niederlage bei der NRW-Wahl hat Kraft alle ihre
Parteiämter niedergelegt - keine 30 Minuten nach Schließung der
Wahllokale. Das war konsequent und zeigte ihr
Verantwortungsbewusstsein. Doch diese Souveränität ist einer
Stillosigkeit gewichen, die einem den Atem verschlägt. Dem
Landesparteitag blieb Kraft fern, und der schien sich darum wenig zu
scheren. Gerade zwei Mal wurde ihr Name erwähnt. Ihre Profile bei
Facebook, Twitter und Youtube sind gelöscht - fast so, als gäbe es
ein ganzes Politikerleben nicht mehr. Es ist gespenstisch. Mag sein,
dass Dankbarkeit in der Politik ein seltenes Gut ist. Dennoch bleibt
es verstörend, wie die SPD und Hannelore Kraft miteinander umgehen.
Man darf daran erinnern, dass die Frau noch NRW-Ministerpräsidentin
ist. Und dass sie dieses große und wichtige Bundesland für »ihre« SPD
fast sieben Jahre lang regiert hat. Bleibt die Frage, wann es zur
Entfremdung zwischen der Partei und ihrer Frontfrau gekommen ist und
ob nicht die Zeit bis zum 14. Mai die weitaus größere Heuchelei war:
jene Phase, als die SPD Kraft auf Gedeih und Verderb zu folgen bereit
schien und sich sogar die Bundespartei samt Kanzlerkandidat Martin
Schulz auf ihr Geheiß hin mit einer Nebenrolle in NRW zufrieden gab.
Und warum man Kraft gewähren ließ, wenn man ihre Pläne doch für
grundfalsch hielt. Nicht zum ersten Mal offenbart die SPD einen
würdelosen Umgang mit ihren (gescheiterten) Spitzenleuten. Auch bei
Torsten Albig konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass
mancher in der Partei heilfroh war, dass der Mann kurz vor der Wahl
ein törichtes Interview gegeben hatte. Als ob die Auflage der
»Bunten« rund um die Kieler Förde so hoch und eine Wahlpleite derart
billig plump zu erklären wäre. »Schießt nicht auf den Mann am
Klavier«, hatte Gerhard Schröder seiner Partei vor Jahren einmal
empfohlen - beherzigt wird sein Ratschlag so gut wie nie. Vielleicht
sollten sich die Sozialdemokraten, die die CDU nur zu gern als
»Kanzlerwahlverein« verspotten, langsam mal fragen, ob ihr Zustand
womöglich auch etwas mit der eigenen Stillosigkeit zu tun hat. Man
darf gespannt sein, ob der Dortmunder Parteitag noch etwas für
Hannelore Kraft übrig hat - etwa ein Zeichen der Solidarität unter
Menschen, die sich gerne Genossen nennen. Für die SPD wäre es
jedenfalls ein Armutszeugnis, wenn Armin Laschet am Dienstag als
frisch gewählter CDU-Ministerpräsident am Ende der Einzige sein
sollte, dem eine angemessene Würdigung der Politikerin Hannelore
Kraft gelingt.
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