(ots) - Bei der Betreuung des inzwischen 13-jährigen
Deutschirakers, der Ende vergangenen Jahres in Ludwigshafen
mutmaßlich zwei Nagelbomben zünden wollte, ist es zu einer
folgenschweren Panne gekommen. Nach Recherchen des
ARD-Politikmagazins "Report Mainz" (Dienstag, 11.07.2017, 21:45 Uhr
im Ersten) ist der Junge, der über das Internet eng in ein Netzwerk
von IS-Sympathisanten eingebunden war, über Wochen von einem
mutmaßlichen Salafisten betreut worden. Das von Anne Spiegel
(B'90/Die Grünen) geführte rheinland-pfälzische Jugendministerium
bestätigte den Vorgang gegenüber "Report Mainz" in einer
schriftlichen Stellungnahme. Eine Sicherheits- und
Zuverlässigkeitsüberprüfung des Landeskriminalamts habe Erkenntnisse
geliefert, "die den Verdacht begründeten, dass eine Nähe zu
islamistischen Kreisen bestehen könnte. Das Jugendministerium
veranlasste umgehend, dass der Mann noch am gleichen Tag aus der
Betreuung abgezogen wurde."
Nach den Recherchen von "Report Mainz" handelt es sich bei dem
Betreuer um einen 30 Jahre alten Psychologen aus Baden-Württemberg.
Er war einer von mehreren Personen, die den Jungen an seinem
derzeitigen, der Öffentlichkeit unbekannten Ort rund um die Uhr
betreuten. 2013 nahm er aktiv an der inzwischen verbotenen
Koranverteilaktion "Lies" teil. Auf Facebook teilte er
antiisraelische Karikaturen sowie Videos und Fotos von
Salafisten-Größen wie "Muhammad Ciftci", "Abu Dujana" oder "Abu
Abdullah". Internetvideos zeigen ihn im März 2014 in Mannheim als
Ordner bei einer Kundgebung von führenden Salafisten-Predigern,
darunter Pierre Vogel und Ibrahim Abou-Nagie. Sicherheitskreisen und
einer Zeugenaussage zufolge ist der Mann regelmäßiger Besucher einer
Moschee in Mannheim, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, weil
sie als Anlaufstelle für Salafisten gilt.
Der Islamwissenschaftler Michael Kiefer von der Universität
Osnabrück sagte dazu im Interview mit "Report Mainz": "Die Mitwirkung
bei der Lies-Aktion ist ein klarer Hinweis auf eine
Szene-Zugehörigkeit." Prof. Susanne Schröter, Leiterin des
Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam, sagte: "Diese Person
ist ein ganz überzeugter Salafist. Wenn man sich sein Facebook-Profil
anschaut, dann hat er die salafistische Ideologie vollkommen
verinnerlicht." Gegenüber "Report Mainz" wollte sich der Mann nicht
äußern. Der Psychologe war von einem freien Jugendhilfeträger
eingesetzt worden. Diesen hat das Jugendamt Ludwigshafen mit der
intensivpädagogischen Betreuung des 13-Jährigen beauftragt. Nach
Recherchen von "Report Mainz" handelt es sich bei dem Träger um eine
Firma, die unter anderem Filialen in Hessen und Rheinland-Pfalz
betreibt.
Laut Jugendministerium hatten die beteiligten Behörden in dem Fall
- obwohl nicht gesetzlich vorgeschrieben - eine
Sicherheitsüberprüfung aller Betreuer durch das Landeskriminalamt
vereinbart. Wörtlich heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums:
"Alle Betreuerinnen und Betreuer haben daraufhin eine
Einverständniserklärung für die Sicherheitsprüfung abgegeben."
Offensichtlich war die Sicherheitsprüfung des Psychologen erst
abgeschlossen, nachdem dieser den 13-Jährigen bereits über rund sechs
Wochen betreut hatte. In dieser Zeit soll er den Jungen einem Insider
zufolge auch im Koran unterrichtet und mit ihm gebetet haben. Das
Jugendamt Ludwigshafen wollte sich dazu nicht äußern, teilte
allerdings schriftlich mit, dass eine "kritische und begleitete
Auseinandersetzung" mit der bisherigen religiösen Orientierung des
13-Jährigen zum Betreuungskonzept gehöre.
Der Islamwissenschaftler Michael Kiefer sagte dazu im Interview:
"Dass tatsächlich ein Akteur der neosalafistischen Szene mit einem
jungen Schützling, der einen Anschlag ausführen wollte, in Verbindung
kommt in einer Hilfemaßnahme, das ist etwas, das darf auf keinen Fall
passieren. Die Gefahr ist, dass vielleicht sogar ein Beitrag dazu
geleistet wird, dass sich die Haltung verfestigt." Prof. Susanne
Schröter sagte gegenüber "Report Mainz": "Ich finde, das ist eine
unerträgliche Panne. Unter dem Strich gesehen würde ich sagen, diese
Panne führt dazu, dass die De-Radikalisierungsbemühungen wieder ganz
am Anfang beginnen müssen."
Laut Jugendministerium Rheinland-Pfalz ist die Praxis der
Sicherheits- und Zuverlässigkeitsprüfung der Betreuer in diesem Fall
inzwischen geändert worden. In der Stellungnahme heißt es wörtlich:
"Bei eventuellen Neueinstellungen, die in der Betreuung eingesetzt
werden, erfolgt (die) Überprüfung bereits vor Aufnahme der
Tätigkeit."
Zitate gegen Quellenangabe frei.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an "Report Mainz", Tel. 06131 929
33351 oder -33352.
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