(ots) - Martin Schulz spielt auf Zeit. Am Montag hat der
SPD-Chef seinen Leitantrag für den Parteitag im Dezember vorgelegt
und angekündigt, in den kommenden Monaten viele Foren und Konferenzen
veranstalten zu wollen. Dort sollen die Mitglieder der Partei
diskutieren können - über die schief gelaufene Bundestagswahl und
darüber, was in Zukunft besser werden soll. Die Absicht, die dahinter
steckt, ist klar: Schulz versucht, die Basis als mächtigste
Verbündete hinter sich zu bekommen. Den Parteichef will er
möglicherweise per Urwahl bestimmen lassen. Ein Jahr lang will Schulz
durchs Land tingeln, Fragen stellen und zuhören. Das bedeutet auch:
Ein Jahr lang wird der SPD-Vorsitzende keine Antworten geben. Er will
der SPD in dieser Zeit nicht genau sagen, wohin er sie steuern will.
Ein Jahr ist eine lange Zeit, vor allem, wenn in Berlin eine
Vier-Parteien-Koalition regieren sollte, die sich streiten wird und
die eine starke Opposition gut gebrauchen könnte. Es ist zweifelhaft,
ob sich Schulz und die SPD wirklich ein Jahr lang zur Selbstfindung
zurückziehen können. In weniger als zwölf Monaten wählen die Bayern
einen neuen Landtag. Auch zwischendurch würde man gern wissen, was
der SPD-Chef zu aktuellen Fragen denkt. Bisher aber ist Schulz nicht
einmal in der Lage, im Tagesgeschäft überzeugende Antworten zu geben.
Bei Themen wie dem Mindestlohn oder internationalen Steueroasen ist
er inhaltlich nicht sattelfest. In Fernsehinterviews hat er außer
Floskeln wenig zu bieten. Der SPD-Chef hofft auf nichts mehr, als
dass die Jamaika-Koalition zustande kommt - und dass sie längere Zeit
hält. Denn sollte es Neuwahlen geben, bräuchte die SPD nicht nur
schnell einen Kanzlerkandidaten, sondern auch ein Programm, das beim
Wähler zündet. Beides hat sie derzeit nicht.
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