(ots) - Wahnsinn im Wendland
von Joerg Helge Wagner Natürlich wird auch der elfte
Castortransport sein Ziel erreichen. Der "Erfolg" von Greenpeace &
Co. wird - wie zehnmal zuvor - darin bestehen, dem Zug mit der
strahlenden Fracht einen halben Tag Verspätung eingebrockt zu haben.
Dem niedersächsischen Landeshaushalt hat man vielleicht noch die eine
oder andere Million Euro an zusätzlichen Kosten verursacht - die
Landesregierung ist ja bereits darauf eingestellt, dass sie der
Wahnsinn im Wendland wieder zwischen 20 und 25 Millionen Euro ärmer
machen wird. Nicht einmal das würde wohl reichen, hätten die geradezu
militärisch straff organisierten "Schotterer" es geschafft, die
Gleisanlagen nachhaltig zu demolieren. Nun aber können die von ihnen
professionell eingebetteten Journalisten nur von massiver
Polizeipräsenz, Reizgas und Schlagstöcken berichten - wenigstens ein
Propaganda-Erfolg, denn der Rechtfertigungsdruck lastet zunächst
immer auf der Staatsmacht. Ob es irgendwie logisch ist, gegen die
Gefahren der Kernkraft zu protestieren, indem man einen Transport mit
gefährlichem Nuklearmüll zusätzlich gefährdet, müssen die
militanteren Kernkraftgegner zunächst mit sich selbst ausmachen. Den
Rest klären später Staatsanwaltschaft und Gerichte - und räumen
hoffentlich mit der in einem Rechtsstaat unhaltbaren Ansicht auf,
dass Straftaten nur von hinreichend vielen Tätern begangen werden
müssen, um als "ziviler Ungehorsam" entkriminalisiert zu werden. Das
ändert nichts an der grundsätzlichen Berechtigung des friedlichen
Protests, der durch die verlängerten Laufzeiten für die
Kernkraftwerke immensen Schwung erfahren hat. Denn die Regierung hat
bislang nicht schlüssig erklären können, welche Notwendigkeit sie
eigentlich gezwungen hat, den gesellschaftlichen Ausstiegskonsens zu
kündigen. Strommangel? Schon heute wird mehr in die Netze eingespeist
als abgenommen. Finanzierung der alternativen Energien? Abgesehen
davon, dass die Ausgestaltung der Brennstäbe-Steuer ohnehin
fragwürdig ist, da sie von den Betreibern wieder als Betriebsausgabe
abgesetzt werden kann: Die Kosten für Transport und Lagerung
zusätzlich anfallender Atommüllmengen werden bislang verschwiegen.
Das Müllproblem aber ist das entscheidende, es beleuchtet grell auch
die Widersprüche der Kernkraftgegner. Ist die oberirdische Lagerung
direkt bei den Atommeilern - wie sie von Greenpeace gefordert wird -
tatsächlich sicherer als ein Salzstock viele hundert Meter unter der
Erde? Das deutsche Atomgesetz und demnächst auch eine entsprechende
EU-Vorschrift zwingen den Staat, eine sichere Entsorgung zu
gewährleisten. Vor diesem Hintergrund war der zehnjährige
Erkundungsstopp in Gorleben - durchgesetzt vom grünen
Bundesumweltminister Trittin - sicher kein Beweis besonderen
politischen Verantwortungsbewusstseins. Eher ist es unverdientes
Glück der Grünen, dass sie heute weder im Bund noch in Niedersachsen
regieren müssen - und das auch noch ohne einen Joschka Fischer, der
vor zehn Jahren den Export von Brennstäben nach China als der
Weisheit vorerst letzten Schluss verkaufen konnte. Nein, das nukleare
Erbe kann nur gemeinsam angetreten werden. Nachdenkliche Grüne wie
die Wendländerin Rebecca Harms wissen das: "Nicht mit einem
schlichten Nein" sei das Problem zu lösen, gibt sie in der
alternativen "tageszeitung" zu Protokoll. Das Wichtigste sei, dass
der Umbau der Energieversorgung beginne - die Bundesregierung sollte
das als Einladung begreifen, noch einmal gemeinsam über
Energiekonzepte nachzudenken. joerg-helge.wagner(at)weser-kurier.de
Pressekontakt:
Weser-Kurier
Ressortleiter ChefredakteurPolitik
Telefon: +49(0)421 3671 3405
joerg-helge.wagner(at)weser-kurier.de