(ots) - In den Online-Buch-Shops von FAZ, Süddeutsche und
Spiegel wird offen "Nazi-Literatur" angeboten. Nach Recherchen des
ARD-Politikmagazins "Report Mainz" können in den Portalen mindestens
150 Bücher von bekannten Nazi-Größen, rechtsextremen Autoren bzw.
Verlagen gekauft werden - darunter auch Titel, bei denen der
Anfangsverdacht der Volksverhetzung besteht. Salomon Korn,
Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, spricht
gegenüber "Report Mainz" von einem "Skandal": "Es ist mir
unverständlich, dass der gute Name dafür hergegeben wird, eine solche
Literatur zu verbreiten, die eigentlich darauf aus ist, das
demokratische System zu unterhöhlen und abzuschaffen." Prof. Wolfgang
Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU
Berlin, sagte: "Ich fühle mich düpiert und getäuscht und frage mich,
haben FAZ, Spiegel, Süddeutsche das nötig, solchen Dreck unter ihrem
Label zu verkaufen."
Zum Angebot der Online-Buch-Shops gehören Bücher von Nazi-Größen
wie Otto Skorzeny, Hitlers wichtigstem SS-Mann für Kommando- und
Sabotageaktionen, oder von Leon Degrelle, dem Chef der wallonischen
Waffen-SS in Belgien. Zu kaufen gibt es auch Werke des bekannten
Holocaustleugners David Irving. Ebenfalls erhältlich ist das 2009
erschienene Buch "Der Zweite Weltkrieg" des Autors Helmut Schröcke.
Dieser schreibt in Zusammenhang mit der Erschießung von fast 34.000
Juden durch die Nazis im Jahr 1941 in der Schlucht von Babi Jar bei
Kiew von einer "angeblichen Mordaktion". Der Staats- und
Verwaltungsrechtler Prof. Christoph Degenhart von der Universität
Leipzig hält dies für eine Leugnung des Holocaust: "Ich sehe im
Hinblick auf die Leugnung des Judenmordes in der Schlucht von Babi
Jar in der Tat einen Anfangsverdacht für die Verbreitung strafbarer
Inhalte, auch in einigen anderen Passagen des Buches."
Die Bücher für die drei Online-Buch-Shops liefert der Großhändler
Libri. Ãœber diesen Dienstleister werden alle Bestellungen
abgewickelt. Im Angebot hat Libri mehr als fünf Millionen Titel. Auf
Nachfrage von "Report Mainz" ließ Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo
schriftlich mitteilen, man könne den Vertrieb rechtsextremistischer
Literatur nicht verhindern. Wörtlich heißt es: "Eine Zensur durch
Händler ist ausdrücklich untersagt. (...) Es gibt eine Verpflichtung
zum 'ganz oder gar nicht'". Zahlreiche Juristen, die "Report Mainz"
unabhängig voneinander befragt hat, halten diese Argumentation für
unzutreffend. Der Stuttgarter Medien- und Verlagsrechtler Prof.
Emanuel H. Burghardt sagte: "Eine solche Verpflichtung kenne ich
nicht. Ein Ganz-oder-gar-nicht gibt es für den Bereich der
Einzelonline-Buch-Shops nicht. Vielmehr hat hier definitiv der
Spiegel die Möglichkeit - wie auch jeder andere Buch-Shop -,
auszusortieren und lediglich ein begrenztes Angebot anzubieten.
Insbesondere ist jeder Einzel-Buch-Shop frei zu sagen, bestimmte
Literatur biete ich nicht an."
Der Verlag der FAZ teilte "Report Mainz" mit, eine Positivauswahl
von Büchern sei nicht leistbar. Der Süddeutsche Verlag verweist
darauf, dass eine Durchsicht im Hinblick auf rechtsextreme Titel
"aufgrund des großen Umfangs nicht möglich" sei. Recherchen von
"Report Mainz" bei Libri haben dagegen ergeben, dass der
Dienstleister neben einer Art Basisgeschäftsmodell, bei dem
Online-Shop-Anbieter kostengünstig das gesamte Libri-Sortiment
übernehmen können, auch ein so genanntes Verlagsshopmodell anbietet.
Hier sei man bezüglich des Ausschlusses einzelner Bücher oder Verlage
komplett flexibel. Auch die Berücksichtigung einer Negativliste sei
technisch möglich. Bei diesem Modell seien allerdings
Anfangsinvestitionen ab etwa 30.000 Euro plus Folgekosten notwendig.
Salomon Korn fordert die Verlage auf, vorrübergehend Geld zu
investieren, damit diese nicht ihre Glaubwürdigkeit verlieren: "Bei
der Verbreitung einer solchen Literatur nimmt der Ruf dieser
Qualitätspresse und der Verlage, die dahinter stehen, Schaden."
Zitate gegen Quellenangabe frei. Bei Fragen wenden Sie sich bitte
an "Report Mainz", Tel.: 06131/929-3351.