(ots) - Patient Erde. Im Vorfeld des Nachhaltigkeitsgipfels
Rio+20 macht der WWF den Gesundheitscheck. Das Ergebnis ist
alarmierend: Die PlĂŒnderung der natĂŒrlichen Ressourcen des Planeten
setzt sich unvermindert fort. "Macht die Menschheit so weiter,
benötigen wir bis zum Jahr 2030 zwei Planeten, um unseren Bedarf an
Nahrung, Wasser und Energie zu decken. Bis zum Jahr 2050 wÀren es
knapp drei", sagt Eberhard Brandes, Vorstand des WWF Deutschland.
In dem alle zwei Jahre vom WWF veröffentlichten "Living Planet
Report" zeigt der WWF, wie der Mensch Tiere und Pflanzen immer
stÀrker verdrÀngt. Eberhard Brandes: "Umweltkatastrophen,
Lebensraumzerstörung, Artenschwund und Wasserknappheit sind die
dramatischen Folgen dieser Entwicklung."
Der WWF misst in seiner Studie die VerÀnderungen der weltweiten
BiodiversitÀt und des menschlichen Konsums: Der "Living Planet Index"
zeigt den Zustand der Ăkosysteme durch Erfassung der BestĂ€nde von
9.000 Populationen und knapp 2.700 SÀugetieren, Vögeln, Reptilien,
Amphibien und Fischen in aller Welt. Der "Ăkologische FuĂabdruck"
gibt den Umfang der Beanspruchung der Ăkosysteme durch den Menschen
an.
Der Living Planet Index beschreibt den RĂŒckgang bei der
BestandsgröĂe ausgewĂ€hlter Arten um 28 Prozent seit 1970, in
tropischen Regionen durchschnittlich sogar 60 Prozent. Besonders
dramatisch ist der Verlust in den tropischen FlĂŒssen und Seen - hier
hat sich der Index um 70 Prozent verschlechtert. "Die Ursachen fĂŒr
den Artenverlust sind die Zerstörung der LebensrÀume vieler Tiere und
Pflanzen, die Umweltverschmutzung, der Klimawandel und invasive
Arten, die durch den weltweiten Verkehr in neue Regionen gelangen und
andere heimische Arten verdrÀngen", erklÀrt Eberhard Brandes. "Dass
Umkehr möglich ist, zeigt der weitgehend stabile Index fĂŒr die
gemĂ€Ăigten Zonen - UmweltschutzbemĂŒhungen zeigen hier Wirkung", so
Brandes.
Der Ăkologische FuĂabdruck hat sich seit 1966 verdoppelt und
wÀchst weiter. Er betrÀgt heute 18 Milliarden globale Hektar oder 2,7
Globale Hektar (Gha) pro Person. Die KapazitÀt des Planeten betrÀgt
aber gerade mal 12 Milliarden Gha oder 1,8 Gha pro Person. Damit
verbraucht die Menschheit 1,5-mal so viel natĂŒrliche Ressourcen wie
sich jĂ€hrlich erneuern. Wer die Verantwortung fĂŒr diese Ăbernutzung
trÀgt, ist klar: "Das Wachstum wohlhabender Staaten findet auf Kosten
der Ă€rmsten LĂ€nder statt, die am meisten natĂŒrliche Ressourcen
beisteuern und selbst am wenigsten verbrauchen. Natur muss endlich
einen Preis haben und die natĂŒrlichen Ressourcen im internationalen
Finanzsystem berĂŒcksichtigt werden. Wenn wir jetzt nicht handeln,
wird das 21. Jahrhundert zu einem Jahrhundert der
Umweltkatastrophen", warnt Eberhard Brandes.
Der groĂe Ăkologische FuĂabdruck der reicheren LĂ€nder ist vor
allem ihrem Kohlenstoff-FuĂabdruck geschuldet. Er ist global die
gröĂte Einzelkomponente mit 55%. Dabei gilt: Je stĂ€rker entwickelt
ein Land ist, desto höher sein Kohlenstoff-FuĂabdruck. 20% der
aktuellen CO2-Emissionen entstehen durch Abholzung und
Zustandsverschlechterung von WĂ€ldern. Nach Kohle und Ăl ist
Waldverlust damit der drittgröĂte Treiber des Klimawandels. Der
Erhalt von WĂ€ldern ist somit aktiver Klimaschutz. Weltweit gingen ca.
13 Millionen Hektar Wald zwischen 2000 und 2010 verloren - das
entspricht der 1,5 fachen FlĂ€che Ăsterreichs.
HĂ€tte die Weltbevölkerung den gleichen ökologischen FuĂabdruck wie
die US-Amerikaner brĂ€uchte man vier Planeten; fĂŒr den hochgerechneten
deutschen Umweltverbrauch wÀren 2,5 Planeten nötig; der indonesische
Lebensstil wĂŒrde "nur" 70 Prozent der weltweiten Ressourcen
erfordern. Oder anders ausgedrĂŒckt: Die wohlhabendsten LĂ€nder
konsumieren im Schnitt dreimal so viel wie LĂ€nder mit mittlerem
Wohlstandsniveau und fĂŒnfmal so viel wie LĂ€nder mit niedrigem
Wohlstandsniveau. Der Ăkologische FuĂabdruck der LĂ€nder mit mittlerem
Wohlstandsniveau inklusive der BRIICS Staaten hat sich seit 1961 pro
Kopf um 65% vergröĂert. Grund dafĂŒr ist auch das anhaltende
Bevölkerungswachstum.
2011 ĂŒberstieg die Weltbevölkerung die 7 Milliarden-Marke, bis
2050 soll es 9 Milliarden Menschen geben. Zugleich nimmt die
VerstÀdterung weiter zu, derzeit leben mehr als 50% der
Weltbevölkerung in StÀdten. Im Jahr 2050 sollen es zwei von drei
Menschen sein. Damit steigt in der Regel der Konsum an - der
durchschnittliche FuĂabdruck eines Bewohners von Beijing ist zum
Beispiel beinahe dreimal höher als der des Durchschnittschinesen.
Die steigenden Bevölkerungszahlen wirken sich auch auf den
Wasser-FuĂabdruck aus. Heute wohnen mindestens 2,7 Milliarden
Menschen in der NĂ€he von FlĂŒssen mit mindestens einem Monat
Wasserknappheit im Jahr. Dabei setzt die Landwirtschaft weltweit
immer mehr auf kĂŒnstliche BewĂ€sserung. 92% unseres Brauchwassers
werden dafĂŒr verwendet. Auch auf dem Meer ist die Situation kritisch:
Seit 1950 hat sich das durch Fischflotten befischte Gebiet weltweit
verzehnfacht. Drei von vier FischbestÀnden in den europÀischen Meeren
gelten als ĂŒberfischt und das gefĂ€hrdet auf Dauer die gesamte
Lebensgemeinschaft der Meere.
"Wir sÀgen am Ast, auf dem wir sitzen. Wenn wir im Jahr 2050 neun
Milliarden Menschen versorgen wollen, ist es dringend Zeit zu
handeln", sagte Eberhard Brandes. "Die Investitionen in erneuerbare
Energiequellen wie Wind- und Sonnenenergie haben sich seit 2004
weltweit mehr als verfĂŒnffacht. Das ist ein Beispiel, auf dem wir
aufbauen mĂŒssen". So fordert der WWF im Living Planet Report, den
Anteil nachhaltiger erneuerbarer Energien im globalen Energiemix auf
mindestens 40 Prozent bis 2030 zu steigern. Weitere Forderungen sind
ein besserer Schutz der Ăkosysteme, ein Stopp der Waldvernichtung,
eine effizientere, umweltfreundlichere Produktionsweise und
verĂ€nderte Konsumgewohnheiten. Die Treibhausgasemissionen mĂŒssen bis
2050 um mindestens 80 Prozent reduziert werden, um ein weltweites
Artensterben zu verhindern. Auch der Schutz der Meere und FlĂŒsse
braucht absolute PrioritÀt.
Der Living Planet Report wird gemeinsam mit der Zoologischen
Gesellschaft von London (ZSL) und dem Global Footprint Network (GFN)
erstellt. Neuer Partner ist die ESA (European Space Agency), deren
Astronaut André Kuipers als WWF-Botschafter vom Weltraum aus die Erde
beobachtet.
Pressekontakt:
WWF World Wide Fund For Nature
Sylvia Ratzlaff
Telefon: 0 30 / 311 777 467
E-Mail: sylvia.ratzlaff(at)wwf.de