(ots) - Ja, Recep Tayip Erdogan ist Chef einer frei und
demokratisch gewählten Regierung. Vermutlich repräsentiert er mit
seiner Auffassung in vielen der derzeit von immer mehr Demonstranten
beklagten Themen sogar nach wie vor die Mehrheitsmehrheit der
türkischen Bevölkerung. Und aller Wahrscheinlichkeit nach würde er
auch eine weitere Wahl gewinnen. Schon allein wegen des beispiellosen
wirtschaftlichen Erfolgs seiner bisherigen Politik, der inneren
Emanzipation vom kemalistischen Militärstaat und des äußeren
Prestigegewinns, der die Türkei zu einer wichtigen Regionalmacht an
der von Krisenherden wimmelnden Schnittstelle von Europa, Asien und
den arabischen Ländern gemacht hat. All dies aber gibt Premier
Erdogan nicht das Recht, mit den aufbegehrenden Minderheiten in
seinem Land zu verfahren wie ein beliebiger Drittwelt-Diktator. Vor
allem verbal hat er in den vergangenen Tagen selbst das Klima immer
weiter angeheizt, seine Gegner hasserfüllt und menschenverachtend als
Plünderer, Vandalen, Chaoten und Terroristen gebrandmarkt, dabei
nicht einmal vor dreisten Lügen zurückschreckend. Nun dreht er auch
noch kräftig an der Gewaltschraube. Tote und Verletzte sind die
Folge; die Situation läuft immer mehr aus dem Ruder. Fast hat man den
Eindruck, Erdogan lege es darauf an, dass sich die Sache
aufschaukelt. Doch selbst wenn er sich mit seinen Machtmitteln
letztlich durchsetzen kann und dabei auf die vermeintliche Zustimmung
der schweigenden Mehrheit setzt - in Wahrheit spaltet er das Land,
hetzt die Bevölkerung gegeneinander auf. So setzt er alle seine
Erfolge aufs Spiel. Der Türkei droht ein historischer Rückfall, der
alle erreichten gesellschaftlichen Fortschritte mit einem Schlag
zunichtemachen könnte.
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